Programme

 

Gift & Gegengift/Poison & Antidote

Ein buntes Portrait von Caspar Othmayr (1515-1553) und seiner Zeit

A musical portrait of Caspar Othmayr (1515-1553) and his time

 






       Hieronymus Bosch (?): Die Sieben Totsünden 


Franz Vitzthum, Countertenor

Dryades Consort

Silvia Tecardi, descant & tenor viol, viola d´arco
Elizabeth Rumsey, viola d´arco, basse viol
Giovanna Baviera, tenor viol
Leonardo Bortolotto, basse viol

 

 Caspar Othmayer (1515-1553)  wird als „eine sehr wache und vielseitige Persönlichkeit“ beschrieben. Als weltoffener Mensch, und damit idealtypischer Vertreter seiner Komponistengeneration, schreibt er sowohl kirchliche Antiphonen als auch derbe Scherze und humanistisch inspirierte Motetten.

Praecipua humanae naturae vitia („Die wichtigsten Laster der menschlichen Natur“), damit befasst sich Othmayer in den 1549 erschienenen Tricinia in pias. Er beschreibt darin nicht nur acht Laster, sondern gibt praktischerweise auch gleich das Gegengift (Antidotum) dazu, damit man sich von diesen Lastern befreien kann. 

Aus der aristotelischen Philosophie stammt die Idee, dass Bann und Überwindung der menschlichen Laster ein Weg zu einem guten Leben sein kann. Auf ähnliche Art und Weise wird dieser Weg wohl von jedem Menschen in jedem Zeitalter als Reifungsprozess zu seinem selbstbestimmten Leben gegangen. Das Laster beschreibt in dieser philosophischen Tradition ein „Zuviel“ einer bestimmten Eigenschaft, das zu einer seelischen Unausgeglichenheit führt. Es geht um das Finden des richtigen Maßes, um die „aurea mediocratis“, um die viel beschworene „goldene Mitte“. Ein Thema also, das uns alle betrifft, ob die Laster nun für charakterliche Unausgeglichenheit oder gar für Probleme einer Sucht stehen: es geht, im modernen Sinne, um Selbstreflexion und Verantwortung.   

Durch die Vielfalt der Thematiken von Lasterbeschreibungen, ihrer Gegengifte, moralischen Anweisungen, scherzhaften Anspielungen, großartigen Motetten und humanistischen Zitaten wollen wir mit dem Programm Gift & Gegengift in die Persönlichkeit Caspar Othmayers aber auch in den Zeitgeist und die Vorbilder der Mitte des 16. Jh. eintauchen -  und ein bisschen denken wir dabei augenzwinkernd natürlich  auch an uns selbst...

Wir bieten das Programm als einfaches Konzert an, oder mit Bildern von Hieronymus Bosch auf einer Leinwand hinter den Musikern, oder in Zusammenarbeit mit dem Philosophen Prof. Dr. Martin Seel mit Lektüren aus seinem Buch "111 Tugenden - 111 Laster", Fischer Verlag.

Gift&Gegengift Video on youtube


Die CD zu diesem Programm:

erschienen bei Christophorus im September 2021, als Koproduktion mit Schweizer Radio SRF und mit Unterstützung des Stipendienprogramms Neustart Kultur vom Deutschen Musikrat.


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A la dolc´ombra

Cipriano de Rore und seine Rezeption

Werke für Gamben-Consort von C. de Rore, G. Dalla Casa, F. Rognoni, G. B. Bovicelli, A. de Cabezón, V. Ruffo und I. Moody



Dryades Consort

  "Io canterei d´amor sí novamente..." ("Ich besänge die Liebe auf so neue Art..."): dieses Madrigal von Cipriano de Rore ist das erste zu welchem Girolamo Dalla Casa in seinem II vero modo di diminuir con tutte le sorte di stromenti (1584) Diminutionsbeispiele gibt. Es eignet sich thematisch als Incipit einer Diminutions-Schule wie ebenso als Prolog eines Konzerts. Mit der "so neuen Art" ist beim Textverfasser Petrarca "außergewöhnlich" gemeint, es könnte sich aber auch auf den dolce stil novo beziehen, die neue Gedichtform des italienischen Mittelalters, von der Petrarca zusammen mit Dante herausragende Vertreter darstellen. Bei Cipriano könnte man den Begriff auf den Madrigalstil gegenüber der franco-flämischen Polyphonie beziehen und bei Dalla Casa auf die Diminutionskunst, die sozusagen eine Melodie in neuer, verziehrter Art darstellt. Für uns steht es als Eröffnung eines Programms, das sich mit der Rezeption von Ciprianos Musik befasst.

   Kernstück des Programms stellt Girolamo Dalla Casas Diminutionen für alle vier Stimmen von Ciprianos Madrigalzyklus´ über Francesco Petrarcas Sestina "A la dolc´ombra" dar. Darin beschreibt Petrarca wie er den lieblichen Schatten eines Loorbeerbaumes aufsucht, der lauro, der für ihn immer auch Synonym für seine Laura, also für die Liebe ist. Der "süße Schatten" ist für uns aber auch gleichzeitig die Rezeption von Cipriano, die im Gedicht beschriebenen zarten Äste, die sich im Wind bewegen und Blüten tragen, versinnbildlichen etwa die Diminutionen, die über seine Madrigale geschrieben worden sind.
Neben der Kompositionen seiner Kollegen und Nachfolger, reicht die Rezeption von Ciprianos Musik bis hin zum zeitgenössischen Komponisten Ivan Moody (*1964), dessen Stück In nomine für vier Gamben wir ebenfalls in dieses Programm aufgenommen haben.