Dapoi nocte vien la luce
Ottaviano Petruccis libri di frottole – ein Spiegel der Musik an den Herzoginnenhöfen des humanistischen Italien
María Cristina Kiehr - Gesang
Josep Cabré - Gesang
Julian Behr - Renaissancelauten
Leonardo Bortolotto - Bassgambe
Silvia Tecardi - Diskantgambe, viola d´arco, Konzept, Leitung
Nach dem überwältigenden Erfolg seines Odhecaton ruhte sich Ottaviano Petrucci nicht auf seinen Lorbeeren aus; was in den folgenden Jahrzehnten folgte, war eine riesige Menge an gedruckter Musik, die für alle zugänglich war. Sammlungen geistlicher und weltlicher, vokaler und instrumentaler, einfacher und komplexer Musik wurden von Musikliebhabern vor 500 Jahren erworben und erfreuen uns bis heute.
Die zehn "Frottole-Bücher", die er zwischen 1504 und 1514 druckte, spiegeln die Vielfalt der weltlichen Musikthemen wider, die bei privaten Abenden an italienischen Höfen, insbesondere an den Höfen der humanistisch ausgebildeten Herzoginnen wie Isabella d'Este, Eleonora Gonzaga, Lucrezia Borgia und Beatrice d'Este, beliebt waren. Diese pflegten berühmte Musiker, Komponisten und Dichter in ihren Gemächern oder studioli zu empfangen, um die Abende auf intellektuell erfüllende Weise zu verbringen. Dank Petruccis Drucken wurden diese Werke nun auch der Welt außerhalb des Hofes zugänglich.
In diesem Programm, das ursprünglich für das ReRenaissance-Festival in Basel entstanden ist, tauchen wir in einen imaginären Abend bei Hofe ein, wie er sich z.B. in Isabellas studiolo in Mantua abgespielt haben könnte, und lassen uns von der Frische und unmittelbaren Natürlichkeit der Frottole von Komponisten wie B. Tromboncino, M. Cara, M. Pesenti, F. Da Lurano u.a. in die humanistischen Diskurse der Höflinge über Kontraste, Sprachspiele, hohe Poesie und ernste und humorvolle Betrachtungen über die Höhen und Tiefen des Lebens entführen.
Programmbooklet für ReRenaissance, 28.1.2024
Andrea Mantegna, Mantova, Palazzo Ducale, Camera degli Sposi, Detail
"Impresa delle Pause", das Pausenmotto von Isabella D´Este in ihrem studiolo im Palazzo Gonzaga, Mantova: Interpretationsvideo für ReRenaissance (Instagram)
Videos aus dem Konzert für ReRenaissance, 28.1.24, Barfüsserkirche, Basel:
Per dolor mi bagno´l viso (B. Tromboncino)
Dapoi nocte vien la luce (Anonymus)
Che faralla, che diralla/Uscirallo, resterallo (M. Pesenti/D. Timoteo/V.Capirola
Ho scoperto il tanto aperto (B. Tromboncino)
Dapoi nocte vien la luce
Ottaviano Petruccis libri di frottole – ein Spiegel der Musik an den Herzoginnenhöfen des humanistischen Italien
Programmpräsentation:
Dapoi nocte vien la luce
Ottaviano Petrucci's libri di frottole - a mirror of the duchess´ courts of
humanist Italy
Program presentation:
Dapoi nocte vien la luce
I libri di frottole di O. Petrucci - Uno specchio della musica alle corti delle duchesse
dell'Italia umanistica
Presentazione del programma:
Gift & Gegengift/Poison & Antidote
Ein buntes Portrait von Caspar Othmayr (1515-1553) und seiner Zeit
A musical portrait of Caspar Othmayr (1515-1553) and his time
Hieronymus Bosch (?): Die Sieben Totsünden
Franz Vitzthum, Countertenor
Dryades Consort
Silvia Tecardi, descant & tenor viol, viola d´arco
Elizabeth Rumsey, viola d´arco, basse viol
Giovanna Baviera, tenor viol
Leonardo Bortolotto, basse viol
Caspar Othmayer (1515-1553) wird als „eine sehr wache und vielseitige Persönlichkeit“ beschrieben. Als weltoffener Mensch, und damit idealtypischer Vertreter seiner Komponistengeneration, schreibt er sowohl kirchliche Antiphonen als auch derbe Scherze und humanistisch inspirierte Motetten.
Praecipua humanae naturae vitia („Die wichtigsten Laster der menschlichen Natur“), damit befasst sich Othmayer in den 1549 erschienenen Tricinia in pias. Er beschreibt darin nicht nur acht Laster, sondern gibt praktischerweise auch gleich das Gegengift (Antidotum) dazu, damit man sich von diesen Lastern befreien kann.
Aus der aristotelischen Philosophie stammt die Idee, dass Bann und Überwindung der menschlichen Laster ein Weg zu einem guten Leben sein kann. Auf ähnliche Art und Weise wird dieser Weg wohl von jedem Menschen in jedem Zeitalter als Reifungsprozess zu seinem selbstbestimmten Leben gegangen. Das Laster beschreibt in dieser philosophischen Tradition ein „Zuviel“ einer bestimmten Eigenschaft, das zu einer seelischen Unausgeglichenheit führt. Es geht um das Finden des richtigen Maßes, um die „aurea mediocratis“, um die viel beschworene „goldene Mitte“. Ein Thema also, das uns alle betrifft, ob die Laster nun für charakterliche Unausgeglichenheit oder gar für Probleme einer Sucht stehen: es geht, im modernen Sinne, um Selbstreflexion und Verantwortung.
Durch die Vielfalt der Thematiken von Lasterbeschreibungen, ihrer Gegengifte, moralischen Anweisungen, scherzhaften Anspielungen, großartigen Motetten und humanistischen Zitaten wollen wir mit dem Programm Gift & Gegengift in die Persönlichkeit Caspar Othmayers aber auch in den Zeitgeist und die Vorbilder der Mitte des 16. Jh. eintauchen - und ein bisschen denken wir dabei augenzwinkernd natürlich auch an uns selbst...
Wir bieten das Programm als einfaches Konzert an, oder mit Bildern von Hieronymus Bosch auf einer Leinwand hinter den Musikern, oder in Zusammenarbeit mit dem Philosophen Prof. Dr. Martin Seel mit Lektüren aus seinem Buch "111 Tugenden - 111 Laster", Fischer Verlag.
Gift&Gegengift Video on youtube
Die CD zu diesem Programm:
erschienen bei Christophorus im September 2021, als Koproduktion mit Schweizer Radio SRF und mit Unterstützung des Stipendienprogramms Neustart Kultur vom Deutschen Musikrat.
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A la dolc´ombra
Cipriano de Rore und seine Rezeption
Werke für Gamben-Consort von C. de Rore, G. Dalla Casa, F. Rognoni, G. B. Bovicelli, A. de Cabezón, V. Ruffo und I. Moody
Dryades Consort
"Io canterei d´amor sí novamente..." ("Ich besänge die Liebe auf so neue Art..."): dieses Madrigal von Cipriano de Rore ist das erste zu welchem Girolamo Dalla Casa in seinem II vero modo di diminuir con tutte le sorte di stromenti (1584) Diminutionsbeispiele gibt. Es eignet sich thematisch als Incipit einer Diminutions-Schule wie ebenso als Prolog eines Konzerts. Mit der "so neuen Art" ist beim Textverfasser Petrarca "außergewöhnlich" gemeint, es könnte sich aber auch auf den dolce stil novo beziehen, die neue Gedichtform des italienischen Mittelalters, von der Petrarca zusammen mit Dante herausragende Vertreter darstellen. Bei Cipriano könnte man den Begriff auf den Madrigalstil gegenüber der franco-flämischen Polyphonie beziehen und bei Dalla Casa auf die Diminutionskunst, die sozusagen eine Melodie in neuer, verziehrter Art darstellt. Für uns steht es als Eröffnung eines Programms, das sich mit der Rezeption von Ciprianos Musik befasst.
Kernstück des Programms stellt Girolamo Dalla Casas Diminutionen für alle vier Stimmen von Ciprianos Madrigalzyklus´ über Francesco Petrarcas Sestina "A la dolc´ombra" dar. Darin beschreibt Petrarca wie er den lieblichen Schatten eines Loorbeerbaumes aufsucht, der lauro, der für ihn immer auch Synonym für seine Laura, also für die Liebe ist. Der "süße Schatten" ist für uns aber auch gleichzeitig die Rezeption von Cipriano, die im Gedicht beschriebenen zarten Äste, die sich im Wind bewegen und Blüten tragen, versinnbildlichen etwa die Diminutionen, die über seine Madrigale geschrieben worden sind.
Neben der Kompositionen seiner Kollegen und Nachfolger, reicht die Rezeption von Ciprianos Musik bis hin zum zeitgenössischen Komponisten Ivan Moody (*1964), dessen Stück In nomine für vier Gamben wir ebenfalls in dieses Programm aufgenommen haben.